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EU-Kapitalmarktunion nimmt langsam Fahrt auf

04.02.2015

Für die einen ist es der Königsweg, um Europas Aufschwung  jenseits von Banken zu finanzieren. Für andere heißt es schlichtweg, einer Fata Morgana hinterher zu laufen, da in Europa einerseits die Kapitalanbieter jenseits von Banken nur schwach vertreten sind und andererseits die breite Mehrheit der kapitalnachfragenden Unternehmen die Diskretion des Bankkredits der Öffentlichkeit des Kapitalmarkts vorzieht.

So bewegt sich die neue EU-Kommission mit dem Programm, eine umfassende, einheitliche Kapitalmarktunion bis 2019 schaffen zu wollen, die gleichberechtigt neben die bankbasierte Wirtschaftsfinanzierung tritt, auf einem schmalen Grat.

Richtig ist zwar, dass in Euroland die Neukreditherauslagen von Banken an die Wirtschaft  seit 2008  um 40 % gefallen sind und von daher alternative Finanzierungswege mehr als wünschenswert wären. Richtig ist auch, dass die Kapitalmärkte Europas bislang insgesamt nicht einmal halb so groß sind wie in den USA. Die für Wirtschaftswachstum so entscheidenden Kapitalmarktsegmente High Yield Bonds, Leveraged Loans und Venture Capital machen – lässt man UK außen vor – sogar nur 12 bis 28 % des vergleichbaren US-Volumens aus.

Fakt ist aber auch, dass in Europa die großen Investoren in diese Märkte,  vor allem die Hedge-, Venture-Capital- und Pensionsfonds, weitgehend fehlen. Ursächlich für diese Entwicklung sind über Generationen hinweg gewachsene Verhaltensmuster und institutionelle Gegebenheiten, wie z.B. die gesellschaftliche Organisation der Altersversorgung.

Aber auch Europas Unternehmensstruktur und –kultur weicht grundlegend von den USA ab. 99,8 % aller Unternehmen, die knapp 60 % der Bruttowertschöpfung erwirtschaften und etwa 67 % aller Arbeitsplätze im privaten Sektor bereitstellen, haben einen Umsatz von unter 50 Mio Euro. Kaum ein Unternehmen dieser Größenordnung emittiert Aktien oder Anleihen. Hinzu kommen jene Unternehmen, die wir in Deutschland gerne den gehobenen Mittelstand nennen. Erfolgreiche, familiengeführte Unternehmen mit Umsätzen im dreistelligen Millionenbereich, die wenig oder kaum in den traditionellen Kapitalmarkt integriert sind und sich auch kaum für die Transparenz- und Offenlegungsanforderungen des Kapitalmarkts begeistern können.

So könnte man auf den ersten Blick durchaus der aktuellen Studie des DSGV folgen, dass wenig dafür spräche, dass sich Europas Wirtschaft in den nächsten Jahren verstärkt über den Kapitalmarkt finanzieren werde.

Diese Rahmenbedingungen bringen es schon mit sich, dass die angestrebte Kapitalmarktunion keine Kopie des US-Marktes sein kann.  Es wird vielmehr darauf ankommen,  Banken- und Kapitalmarktfinanzierung intelligent zu vernetzen, damit die enge Beziehung von Bank und Unternehmen gewahrt bleibt. Die Elemente einer derartigen Vernetzung bestehen bereits, z.B. mit dem Schuldscheindarlehen, das die Eigenschaften von Kredit und Anleihe kombiniert, mit bankennahen Kreditfonds, die illiquide Kredite ankaufen und sich über Eigen- und Fremdkapital von Investoren refinanzieren, sowie mit dem Kapitalmarktprodukt Verbriefung.

Bei all diesen Asset Based Finance Kapitalmarktinstrumenten bleibt die traditionelle Beziehung zwischen Unternehmen und Bank gewahrt. Sie passen damit hervorragend in das System einer bankbasierten Unternehmensfinanzierung und ermöglichen es Banken gleichzeitig ihre Bilanz, ihr Eigenkapital und ihre Finanzierungskennziffern über den Kapitalmarktnutzung zu entlasten und damit Basel III gerecht zu werden.

Der  Verbriefung dürfte dabei das größte Potential zukommen. Die aktuellen Gesamtvolumina von wirtschaftsnahen Verbriefungen sind  heute bereits deutlich höher als bei Schuldscheindarlehen oder Kreditfonds. Und dies in einem regulatorisch und öffentlich eher restriktiven Umfeld.  So wundert es nicht, dass auch auf der letzten EU Ecofin-Sitzung am 9. Dezember 2014 der Revitalisierung der europäischen Märkte für wirtschaftsnahe Verbriefungen eine zentrale Rolle in der zukünftigen Wirtschaftsfinanzierung Europas zugewiesen wurde.  Und auch das noch nicht veröffentlichte Green Paper „Building a capital Market Union“ benennt drei zentrale Prioritäten,  die im Rahmen der Schaffung einer Kapitalmarktunion schnell umgesetzt werden sollen. An erster Stelle steht dabei die Förderung des Verbriefungsmarktes, gefolgt von der Förderung von Privatplatzierungen und Kreditfonds.

Doch was wäre zu tun, um das volle Potential von Verbriefungen für die europäische Wirtschaftsfinanzierung zu nutzen? Die notwendigen Maßnahmen lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:

Verbriefungen sollten von Banken, die Unternehmens-  und Absatzfinanzierungen tätigen, unkompliziert genutzt werden können. Dies würde deren Eigenkapitalsituation als auch Refinanzierung erleichtern.  Auch Industrie-, Handels- und Leasingunternehmen sollte der einfache  Zugang zu den Verbriefungsmärkten möglich sein,  um ihre Working-Capital-Finanzierung zu diversifizieren und unabhängiger von Bankkrediten zu werden. Entsprechende Plattformen dafür werden in Deutschland von vielen Banken angeboten und über hundert gehobene Mittelständler nutzen die  Programme bereits.

Zu vollen Nutzung der Potentiale bedarf es eines regulatorisches Level Playing Fields mit vergleichbaren Instrumenten, d.h. dem Covered Bond und der Unternehmensanleihe. Die Definitionen und Regeln für Verbriefungen über die verschiedenen Regulierungswerke für Banken, Versicherungen und Pensionskassen hinweg sollten einheitlich und eindeutig sein und der Qualität hochwertiger Verbriefungen Rechnung tragen. Notwendige Transparenz- und Offenlegungsanforderungen sollten auch den berechtigten Interessen der Realwirtschaft Rechnung tragen im Hinblick auf ihre vertraulichen Geschäftsdaten.

Langsam scheint der Wille bei Politik und Regulierern zu wachsen, diese Richtung einzuschlagen. Doch ein langer Weg ist noch zu gehen, bis der Verbriefungsmarkt sein volles Potential für eine europäische Wirtschaftsfinanzierung entfalten kann, welche bank- und kapitalmarktbasierte Finanzierungsmodelle miteinander verbindet.

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