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EU-Vorschläge zur Revitalisierung des Verbriefungsmarkts kaum praktikabel

02.09.2015

Nach Vorlage des EBA Reports on „qualifying securitisation“ Anfang Juli konnte man noch hoffen: Die EBA rückte im analytischen Teil ihres Berichts an die EU-Kommission die üblichen undifferenzierten Schuldzuweisungen an Verbriefungen wieder etwas zurecht und erkannte an, dass europäische Verbriefungen nicht das geringste mit dem Ausbruch der Finanzkrise, die 2007 ihren Anfang nahm, zu tun hatten; dass im Gegenteil die Performance von europäischen Verbriefungen sehr gut war und das Produkt von daher eine angemessene Regulierung verdiene.

Freilich, bereits bei den Vorschlägen der EBA gab es seitens der Finanzwelt viele Anmerkungen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es keine gute Idee sei, die Laufzeit der Underlyings bei ABCPs auf ein Jahr zu begrenzen. Fully supported ABCP-Programme ähneln dem Covered Bond, der „dual recourse“ auf Sponsor und Underlying ist gewährleistet. Auch beim Covered Bond/Pfandbrief käme keiner auf die Idee, die Laufzeit des Underlyings auf ein Jahr zu begrenzen. Und im Falle der Insolvenz des Garantiegebers beim ABCP, sprich der Pfandbriefbank oder des Liquiditätslinienproviders, stünde der ABCP-Investor sogar besser dar, da das Underlying sich schneller amortisiert. Auch wurde herausgestellt, dass die EBA Kriterien für STS-Verbriefungen bei Handels- und Leasingforderungen nur auf Transaktions- nicht aber auf Programmebene überhaupt erfüllbar sind. Damit wäre zwar der Sponsorbank geholfen, nicht aber dem ABCP-Investor, sei es nun die Versicherung, eine andere Bank oder ein Fonds. Auch hier fragte man bereits im Juli, wie dies denn in das EU-Ziel passe, den Kapitalmarkt zu fördern. Es wurde darauf hingewiesen, dass man bei Termtransaktionen unbestimmte Begriffe wie „indicating significant risk of default“ vermeiden sollte – schon im Hinblick auf das Ziel, die Wirtschaftsfinanzierung in Europa zu verbessern. So wurde im Juli von der TSI u.a. herausgestellt, dass unbestimmte Begriffe wie „significant risk of default“ schädlich seien, da der durchschnittliche europäische Mittelständler eine Bonität deutlich unterhalb Investmentgrade habe und bei entsprechender Auslegung des Begriffs würden sich SME-Finanzierungen von Banken folglich auf keinen Fall als Underlying für STS-Verbriefungen qualifizieren. Auch andere Unklarheiten sollten überdacht werden und wurden bereits im Juli angemerkt. So warfen die Homogenitäts- und true sale Anforderungen ebenfalls viele Fragezeichen auf.

Selbstverständlich wurde dies nicht nur im Kreis der Betroffenen und auf den entscheidenden Webseiten dargestellt und diskutiert, sondern auch gezielt adressiert. Die Hoffnung, dass die EU-Kommission vor dem Hintergrund ihrer doch weitreichenden Ankündigungen der Revitalisierung der Verbriefungsmärkte im Rahmen der Kapitalmarktunion nunmehr mit einem praktikablen Vorschlag herauskäme scheint sich, bleibt es bei dem, was inoffiziell bekannt wurde, aktuell jedoch nicht zu erfüllen. Bereits Anfang August kursierten im Markt die EU-Entwürfe und jeder der sie (inoffiziell) zur Kenntnis nahm war mehr als verwundert. Letzte Woche veröffentlichte die Financial Times schließlich die genannten Papiere. Seitdem sind sie allgemein bekannt.

Die kurze Zusammenfassung: Nichts hat sich gegenüber dem EBA-Papier vom Juli zum Besseren verändert, vieles ist schlimmer geworden. Die Kriterien bleibe nach wie vor im Allgemeinen und schaffen damit eine hohe Unsicherheit bei Originatoren und Investoren was die Umsetzung der Kriterien für STS-Verbriefungen angeht. Gleichzeitig sollen die Originatoren, SSPE’s und wo relevant die Sponsoren gemeinsam für die Einhaltung der Kriterien haften. Und bei Pflichtverletzungen seitens der Originatoren sind extreme Strafen vorgesehen. Eine Zertifizierung durch Notified Bodies, wie die EU ansonsten die Umsetzung ihrer Normenumsetzung vom Bleistift bis zum Atomkraft handhabt, wird abgelehnt. Auch die Nutzung etablierter privater Standardsetzer wie TSI und PCS wird explizit verworfen. Umso wichtiger wäre es aber, dass die die Kriterien selbst klar, eindeutig und vorhersehbar sind und nicht in Europa einer Vielzahl von unterschiedlichen, sich ändernden Interpretationen der vielfältig beteiligten Aufsichtsbehörden unterliegen können. Bei jeder normalen ABS-Transaktion sind Banken und Investoren aus halb Europa beteiligt. Es ist unter praktischen Gesichtspunkten nur schwer vorstellbar, wie ein Abstimmungsprozess unter Beteiligung von EBA, EIOPA, ESMA mit vielen nationalen Aufsichtsbehörden letztendlich aussehen soll. So ist mit vielen offenen Fragen zu rechnen, deren letztendliche Klärung sich über Monate hinziehen wird. Währenddessen bleibt der Originator im Unklaren darüber, ob und wie denn bestimmte Ausprägungen einer Transaktion unter STS-Kriterien zu verstehen sind und wird von daher vor jeder Selbstzertifizierung zurückschrecken.

Wohin diese Praxis führt, zeigt auch bereits die Erfahrung mit der LCR. Fast ein Jahr nach Verabschiedung der delegierten Rechtsakte zur LCR und Solvency II ist es scheinbar nicht möglich, Level 2B-Verbriefungen nach dem delegierten Rechtsakt zur LCR und Type 1-Verbriefungen nach Solvency II zu emittieren, weil z.B. nach wie vor unklar ist, was „ significant risk that contractually agreed payments will not be made compared to the average obligor for this type of loans in the relevant jurisdiction” eigentlich bedeutet. Und diese Praxis setzt sich fort: Der Entwurf der Kommission für STS-Verbriefungen übernimmt die unbestimmten non-impairment-Anforderungen der beiden delegierten Rechtsakte und will es dann der EBA in Abstimmungen mit ESMA und EIOPA überlassen, diese Anforderungen näher zu konkretisieren. Und letztlich bleibt es dann den national als zuständig benannten Aufsichtsbehörden überlassen, die Anforderungen in der Überwachung näher zu konkretisieren werden, mit dem Ergebnis, dass sich die Anforderungen von Land zu Land unterscheiden dürften. Ohne Klarheit über die Kriterien, die sich für eine Akzeptanz der Marktteilnehmer an gängigen Marktstandards orientieren müssen, kann die STS-Initiative niemals zu einem Erfolg werden. Und hinzu kommt noch, dass die EK-Anforderungen beim Investor sich auch für STS Verbriefungen, so es denn zu solchen kommen sollte, gegenüber dem Status Quo heute noch deutlich erhöhen werden. Ohne entscheidende Änderungen im vorliegenden EU-Entwurf, dürfte somit die von der EU-Kommission groß angekündigte Revitalisierung des Verbriefungsmarktes zu einem Projekt werden, dass von der Startbahn nicht abheben wird.

Und da die Revitalisierung des Verbriefungsmarktes eine tragende Säule der kommenden Kapitalmarktunion werden soll, fragt man sich unwillkürlich, wie denn dieses Projekt, was noch weit komplexere Themen wie die Revitalisierung der Verbriefung umfasst, denn zum Erfolg geführt werden soll, wenn die Ouvertüre dazu schon danebengeht. Doch diesen Gedanken möchte man gar nicht weiterdenken, denn schließlich wird auch allenthalben darauf hingewiesen, dass das die Umsetzung des Projekts EU-Kapitalmarktunion zur Stabilisierung der europäischen Währungsunion dringend notwendig ist.

Aber Stopp. Von daher besteht wieder Hoffnung, denn schließlich ist es nur ein Entwurf, der hier vorliegt und nicht die endgültige Verordnung. Und da die Revitalisierung des Verbriefungsmarktes ein tragender Baustein im großen Gebäude Europas werden soll wird man es sicherlich dreimal überlegen, ob man ein Scheitern des Vorhabens in Kauf nimmt. Denn wie gesagt: Ein Konzertprogramm mit einer verpatzen Ouvertüre kommt im Allgemeinen nicht gut an.

In drei Wochen in Berlin am 23./24. September 2015 beim diesjährigen TSI Kongress werden wir alle diese Fragen stellen und mit der Aufsicht diskutieren:

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