Was lange währt, wird endlich gut – so ein altes deutsches Sprichwort. Acht Jahre sind seit Ausbruch der Finanzkrise vergangen. Und ohne Zweifel: ABS hatte etwas damit zu tun. Allerdings nicht europäische Verbriefungen und schon gar nicht deutsche. Amerikanische Subprime-Verbriefungen waren der Auslöser der Krise. Und wie Nietzsche schon vor hundertfünfzig Jahren feststellte: Die Menschen verwechseln gerne Auslöser mit Ursache und handeln in der Not nach dem Motto: Die erste einigermaßen plausible Erklärung ist die richtige und sie bleiben selbst dann noch dabei, wenn die Tatsachen in eine andere Richtung weisen. Von daher sind alle globalen Schuldzuweisungen in Richtung Verbriefungen zumindest erklärbar.
Doch acht Jahre sind eine lange Zeit. Die meisten Transaktionen, die vor Krisenausbruch aufgelegt wurden, sind inzwischen ausgelaufen. Und Zahlen sind letztendlich für den Vernunft gesteuerten Menschen doch aussagekräftiger als kurzschlüssige ideologische Ableitungen. Von daher ist es schon ein besonderer Moment, wenn die oberste europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA in ihrem jüngsten Bericht an die EU-Kommission die Dinge wieder etwas zurecht rückt und anerkennt, dass europäische Verbriefungen nicht das geringste mit dem Ausbruch der Finanzkrise, die 2007 ihren Anfang nahm, zu tun hatten. Die EBA erkennt des Weiteren an, dass die Performance von europäischen Verbriefungen gut war und dass das Produkt insbesondere im Hinblick auf die nachgewiesene Solidität eine Anerkennung verdient, die sich in einer angemessenen Regulierung widerspiegeln sollte.
Wer in der europäischen Verbriefungsindustrie aktiv unterwegs ist, hat sicherlich lange dafür gekämpft und lange darauf gewartet, dass die notwendige Differenzierung einkehrt. Alleine aus diesem Blickwinkel heraus kann man das vorliegende EBA-Papier nur begrüßen, zumal es nicht nur Vorschläge enthält wie qualitativ hochwertige Verbriefungen zukünftig von allen anderen Produkten diesen Namens abzugrenzen sind. Nein, man muss der EBA auch dafür danken, dass sie in komprimierter Zusammenfassung noch einmal die Geschichte des Einbruchs von 2007 aufarbeitet und die Tatsachen zurecht rückt, dass sie auch in überschaubaren, klar strukturierten Tabellen darauf hinweist, dass bereits nach den bislang geltenden Regeln Verbriefungen in den regulatorischen Anforderungen für Eigenkapital-Unterlegungen deutlich anspruchsvolleren Belastungen unterliegen als vergleichbare Kapitalmarktinstrumente, wie z.B. der Covered Bond/Pfandbrief oder die Unternehmensanleihe (von den Staatsanleihen, die im EBA-Report nicht erwähnt werden, ganz zu schweigen).
So treten wir spätestens mit dem EBA-Report in ein neues Verbriefungszeitalter ein.
Positiv hervorzuheben ist bei dem EBA-Report auch, dass ABCPs enthalten sind. Auch dieser Begriff spielte in der Finanzmarktkrise eine unrühmliche Rolle, vor allem auch in Deutschland, wo viele Landesbanken, von der Politik 2005 mit der letztmaligen Möglichkeit versehen, sich bis zu zehn Jahren zu AAA Konditionen mit Liquidität auszustatten, den US-Subprimemarkt als lukrative Anlage entdeckten und im Gefolge dessen die neuendeckte Geschäftsoption über Investmentvehikel, die sich über ABCPs refinanzierten, weiter leveragten. Diese Praktiken hatten über Jahre hinweg dazu beigetragen, die Verbriefungen deutsche Industrie-, Handels- und Leasingunternehmen, die ebenfalls über den ABCP-Markt laufen, zu diskreditieren. Doch auch hier zieht die EBA eine klare Linie und benennt detailliert Kriterien, die qualitativ hochwertige ABCP Programme von derartigen Praktiken abgrenzen.
Insgesamt steht der europäische Verbriefungsmarkt damit vor einer Zeitenwende. Die konstituierenden Qualitätsmerkmale europäischer Verbriefungen werden regulatorisch anerkannt und festgeschrieben. Die Unsicherheit wird weichen. Banken, realwirtschaftlich tätige Unternehmen und Leasinggesellschaften werden sich dem Markt wieder stärker zuwenden, ebenso Investoren. Know-how, was über die letzten Jahre verlorenging, wird langsam wieder aufgebaut werden.
Bei so viel positiver Würdigung des Reports erscheinen die zu machenden Anmerkungen marginal, sind aber nichtsdestotrotz mehr als entscheidend für den Erfolg des Vorhabens:
Es ist keine gute Idee, die Laufzeit der Underlyings bei ABCPs auf ein Jahr zu begrenzen. Fully supported ABCP Programme ähneln dem Covered Bond, der dual recourse auf Sponsor und Underlying ist gewährleistet. Auch beim Covered Bond/Pfandbrief käme keiner auf die Idee, die Laufzeit des Underlyings auf ein Jahr zu begrenzen. Und im Falle der Insolvenz des Garantiegebers, sprich der Pfandbriefbank oder des Liquiditätslinienproviders beim ABCP stünde der ABCP Investor sogar besser, da das underlying sich schneller amortisiert. Auch scheint es, dass die EBA Kriterien für STS Verbriefungen bei Handels- und Leasingforderungen nur auf Transaktions- nicht aber auf Programmebene überhaupt erfüllbar sind. Damit wäre zwar der Sponsorbank geholfen, nicht aber dem ABCP Investor, sei es nun die Versicherung, eine andere Bank oder ein Fond. Auch hier fragt sich, wie dies in das EU-Ziel passt, den Kapitalmarkt zu fördern. Von daher sollte die EU diese EBA Vorschläge bezüglich ABCPs noch einmal überdenken.
Auch sollte man bei Termtransaktionen unbestimmte Begriffe wie „indicating significant risk of default“ vermeiden. Sicherlich besteht nach dem Subprime Debakel ein allgemeines Interesse daran, Originatoren von Verbriefungen anzuhalten, keine „schlechten“ im Sinne von schwer einzuschätzenden Kredite zu verpacken. Im Rahmen der TSI Zertifizierung haben wir dieses Problem schon seit Jahren erkannt und dahingehend gelöst, dass die in Verbriefungen verpackten Kredite den üblichen Krediten, die ein Unternehmen auf der Bilanz hält, in allem, d.h. Kreditart, Herauslagekriterien, Incentives, Auditing etc., entsprechen müssen und somit ein natürliches “alignment of interest gegeben” ist. Die EBA geht diesen Weg nicht, sondern verweist bei den Vergabebedingungen nur auf Artikel 79 CRD IV und verlangt zudem allgemein gleiche underwriting standards für verbriefte und nicht-verbriefte Kredite. Jedoch erscheint die Auflösung daraus eventuell entstehender Fragen über den mehr als unbestimmten Begriff der „significant risk of default“ mehr Unsicherheit als Klarheit zu bedingen – insbesondere übrigens, wenn es dabei um SME-Verbriefungen geht, denn der durchschnittliche deutsche Mittelständler hat eine Bonität deutlich unterhalb Investmengrade und bei entsprechender Auslegung des Begriffs würde SME Finanzierungen von Banken sich folglich auf keinen Fall als Underlying für STS Verbriefungen qualifizieren. Auch dies kann, liest man das Grünbuch Kapitalmarktunion, nicht im Interesse von EU Kommission und, wie die jüngste Resolution des EU Parlaments zum Thema zeigt, auch nicht im Interesse des Parlaments sein (siehe dazu die entsprechenden Kommentierungen in diesem Blog)
Auch andere Unklarheiten sollten überdacht werden. So ist oft von „retail sale contracts“ die Rede, was jedoch in Abhängigkeit vom herangezogenen Rechtsbereich – Aufsichtsrecht, Verbraucherrecht, Gewerberecht – von Land zu Land unterschiedlich definiert ist und damit als Rechtsbegriff nicht verwendet werden sollte. Auch die Begrenzung auf Kredite „that have level monthly payments that fully amortise the amount financed over its original term, except that the payment in the first or last month during the life of the loan may be minimally different from the level payment” (Seite 55) verwundert. Würde das doch dazu führen, dass Autofinanzierungen, SME-Finanzierung und viele europäische RMBS wie wir sie kennen zukünftig nicht mehr verbrieft werden können, denn überall gibt es Ballonraten, Sondertilgungsrechte etc.
Hier ist überall noch der nötige Feinschliff notwendig und es bleibt zu hoffen, dass die EU Kommission hier noch einmal Hand anlegt. Sonst wäre – auf Basis einer ersten Sichtung – das EBA-Papier zwar von der Intention her nur zu begrüßen, in der praktischen Umsetzung aber wären die Bedingungen kaum zu erfüllen.
Wir werden in den nächsten Monaten sicherlich noch viele Gelegenheiten haben, die Diskussion und Beschäftigung mit den EBA Vorschlägen zu vertiefen – nicht zuletzt auf dem TSI Kongress am 23. und 24. September 2015 in Berlin.