Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Faktoren sowie Governance sind längst fixe Bestandteile der Finanzmärkte. Die Nachfrage nach entsprechenden Anlagen steigt stetig. Die Europäische Kommission hat deshalb im März 2018 einen Aktionsplan zu „Nachhaltige Finanzierung“ und im Mai 2018 konkrete Maßnahmen hierzu vorgelegt.
Aktionsplan „Nachhaltige Finanzierung“
Diese Maßnahmen umfassen insbesondere drei Gesetzesvorschläge:
- Einheitliches EU-Klassifikationssystem (Taxonomie) für ökologisch nachhaltige, wirtschaftliche Tätigkeiten
- Investorenpflichten für institutionelle Anleger zu Nachhaltigkeitskriterien
- Referenzwerte (Benchmarks) für geringe CO2-Emissionen
Taxonomie für einheitliche grüne Wirtschaftstätigkeiten
Zudem wurde eine technische Expertengruppe eingesetzt, die bei diesen Vorhaben beraten soll. Der Kern des Pakets ist die Taxonomie und soll einheitliche Standards für grüne Wirtschaftstätigkeiten setzen. Insgesamt wurden sechs Kriterien vorgeschlagen, von denen zumindest eines vollständig erfüllt sein muss und kein Kriterium im erheblichen Maß verletzt sein darf:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz gesunder Ökosysteme
Im Kern ist das Ziel nur unterstützenswert. Es gilt dabei aber zu bedenken, dass die EU damit direkt in den Lenkungsprozess gesamtwirtschaftlicher Prozesse eingreift und damit vor der schwierigen Aufgabe steht, einen Rahmen zu schaffen, der eine technisch nahezu unbegrenzte Variabilität der Ressourcen- und Güternutzung bewertet und lenkt. Einzelne Ressourcen können für die verschiedenste Zwecke genutzt werden. Welche der Nutzungsoptionen ist jedoch ökologisch sinnvoll? Natürlich die mit der geringsten Umweltbelastung. Wie kann dies aber sichergestellt werden, ohne die Vielfältigkeit und Interdependenzen über die ganze Lieferkette und ihre Opportunitäten zu kennen. In einer Marktwirtschaft funktioniert dies am ehesten darüber, dass man der Umweltbelastung einen Preis gibt und ansonsten die Selektionsfähigkeit des Marktes für die beste Lösung nutzt. Ansonsten wird es schwierig, aus den zahllos möglichen Faktorkombinationen die ökologischste auszuwählen. Man müsste nämlich dazu die gesamte Input-Output-Optionen der Volks-/Weltwirtschaft sowie deren Opportunitäten kennen, was natürlich nicht gegeben ist.
Die Vereinfachung dessen auf einfache Bewertungssysteme für jedes Produkt runtergebrochen (Ampelsysteme oder Ähnliches), wie sie schon in der überkommenden Planwirtschaft Anwendung fanden (und die daran scheiterten), abstrahiert von dieser komplexen Realität und zeigt folgerichtig meist keine zieladäquaten Ergebnisse. So gilt es genau hinzuschauen,was da gerade im Werden ist. Auch wenn man im Kern nur alle Maßnahmen zur Schließung der beträchtlichen Investitionslücke bei nachhaltigen Investitionen unterstützen kann, so sollte doch vermieden werden, dass die Umsetzung nicht das Ziel konterkariert und letztlich die Regulierung der Geist wird, der stets das Gute will, aber stets das Gegenteil schafft.
Wie sind die EU-Vorschläge zu bewerten?
So lassen die EU-Vorschläge vor diesem Hintergrund viele Fragen offen und müssen verbessert werden, denn die Berücksichtigung industrieller Wertschöpfungsketten kommt in den Vorschlägen bei Weitem zu kurz. Denn selbst wenn einzelne Aktivitäten die genannten Kriterien nicht erfüllen, können diese notwendige Inputs für als nachhaltig klassifizierte Wirtschaftstätigkeiten sein. So ist beispielsweise die Herstellung von Grundstoffen wie Metallen oder Chemikalien oft sehr energie- und CO2-intensiv. Diese Stoffe sind jedoch unersetzbare Bestandteile ökologisch nachhaltiger Aktivitäten, wie beispielsweise der Gewinnung erneuerbarer Energien. Die EU-Kommission hat keinen praktikablen Ansatz vorgelegt, um diese komplexen Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen. Zudem fehlen in dem technischen Gremium, das sich weitgehend aus Vertretern der Finanzwirtschaft zusammensetzt, Experten mit einschlägigen industriellen Fachkenntnissen.
Genaue Details der sechs Kriterien will die EU-Kommission erst im Rahmen von „Delegierten Verordnungen“ erlassen. Damit würde der Gesetzgebungsprozess weitgehend dem öffentlichen Diskurs entzogen. Das Projekt „Nachhaltige Finanzierung“ kann ein großer Erfolg für die Ökologie, die Real- und Finanzwirtschaft werden. Es kann aber auch in ein bürokratisches Monster mutieren, dass die Finanzwirtschaft mit neuen Regulierungen weiter belastet und der Zielsetzung einer ökologischen, weniger CO2-produzierenden Wirtschaft entgegenläuft.
Zum EU-Aktionsplan Nachhaltige Finanzierung
Der BDI hat hierzu eine erste Bewertung abgegebn: