Europäische Banken, Autofirmen, Investoren, Dienstleister und Verbände schreiben eine „JOINT NOTE ON THE EU COMMISSION’S PROPOSALS ON SIMPLE, TRANSPARENT AND STANDARDISED SECURITISATION”
Die europäische Verbriefungsdiskussion nach 2007 hat viel von einem Kafka-Roman. Denn obgleich europäische ABS-Transaktionen immer solide waren und – wie auch die Europäische Kommission anerkennt – völlig schadlos durch die Finanzkrise gekommen sind, wurde der europäische Verbriefungsmarkt ob seiner entfernten Namensähnlichkeit mit US-Subprimeverbriefungen in Haftung genommen. In unendlichen Anhörungen und Gesprächen mussten seine Vertreter in den letzten neun Jahren gebetsmühlenartig wieder und wieder darauf hinweisen, dass man nicht das Geringste mit der Subprimekrise zu tun hatte.
Umso erfreuter waren alle Marktteilnehmer als die Europäische Kommission Anfang 2015 die Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarktes im Rahmen des neuen Projektes EU-Kapitalmarktunion proklamierte. Was auch nur logisch ist, denn die Wirtschaftsfinanzierung Europas wird von Banken dominiert. Will man den Beitrag des Kapitalmarkts zur Wirtschaftsfinanzierung erhöhen, ist es daher am einfachsten den Banken die Ausplatzierung von Risiken an den Kapitalmarkt zu erleichtern.
Doch was die EU-Kommission am 30. September 2015 zur Neuregelung des Verbriefungsmarktes vorlegte verstört den Markt seitdem zutiefst. Denn unter der Maßgabe der Revitalisierung des Verbriefungsmarktes plant die EU-Kommission einen rechtlichen Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen der solche Produkte in Europa gegenüber dem Status quo erheblich schlechter stellen und das Level Playing Field weiter tiefgreifend zum Schaden von Verbriefungen zu anderen Kapitalanlagen wie Staatsanleihen und Covered Bonds verschieben würde.
Synthetische Verbriefungen werden dabei von dem STS-Rahmen sogar völlig ausgeschlossen, obgleich sie im weiten Feld der SME-Verbriefungen effizienter und zielgerichteter zum Einsatz kommen können, als true sale Verbriefungen.
Die in dem Verordnungsentwurf verwendeten Begrifflichkeiten, Zuordnungen und die jeweiligen Verantwortlichkeiten von Aufsichtsbehörden sowie die Definitionen von Prozessen, Verstößen und Strafen sind extrem unklar und wenig eindeutig geregelt. Verbindliche Auskünfte von Aufsichtsbehörden sind nicht vorgesehen. Die Verantwortung wird Originatoren und Investoren aufgebürdet. Letztere würden zudem im Entwurf erheblich schlechter gestellt als bisher. Dies sowohl bei den Eigenkapitalanforderungen, die deutlich nach oben klettern, als auch bei den Prüfpflichten und Sanktionsmechanismen.
Jede der über fünfzig beteiligten europäischen Aufsichtsbehörden bekäme zudem das Recht, nach Auflage einer STS-Transaktion durch den Originator Verstöße zu reklamieren und am Ende eines komplexen Prozesses unter Einschluss aller europäischen Aufsichtsbehörden könnten für die Bank oder das Industrieunternehmen, das die Verbriefung verantwortet, drastische zivil- und strafrechtliche Konsequenzen stehen.
Das Ganze liest sich so, als hätte Kafkas Roman „Der Prozess“ hier inspirierend gewirkt. Für alle, deren Deutschunterricht zu weit weg ist, zur Auffrischung: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ So beginnt Kafkas Roman. Trotz der Verhaftung an seinem 30. Geburtstag darf sich der Bankprokurist Josef K. weiterhin frei bewegen. Vergeblich versucht er herauszufinden, wessen er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Ebenso wenig greifbar sind das geheim tagende Gericht und das Gesetz nach dem er abgeurteilt wird. In einem Prozess, von dem nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch der Angeklagte ausgeschlossen bleibt, wird Josef K. schließlich von einer anonymen, für ihn unerreichbaren Gerichtsinstanz, die sich seinem Verständnis entzieht, zum Tode verurteilt.
Es sind erhebliche Nachbesserungen in der STS-Verordnung notwendig, sonst wird es weder zur Revitalisierung des Verbriefungsmarktes noch zu einem gelungenen Einstieg in die Kapitalmarktunion kommen.
Europäische Banken, Autofirmen, Investoren, Dienstleister und Verbände fassen in einer „JOINT NOTE ON THE EU COMMISSION’S PROPOSALS ON SIMPLE, TRANSPARENT AND STANDARDISED SECURITISATION”, die dem Parlamentsberichterstatter für das Projekt, Paul Tang, vor kurzem zuging ihre Kernargumente und machen Lösungsvorschläge.
Zu dem Papier
„JOINT NOTE ON THE EU COMMISSION’S PROPOSALS ON SIMPLE, TRANSPARENT AND STANDARDISED SECURITISATION”
Zum Vorschlag der Europäischen Kommission (englische Fassung)
Zum Vorschlag der Europäischen Kommission (deutsche Fassung)
Zur TSI Stellungnahme zum Kommissionsentwurf
Zu den Stellungnahmen der Deutschen Wirtschaft (BDI, DIHK und DAI) zum Kommissionsentwurf