Erstens kommt es anders. Und zweitens als man denkt. Und dies gleich doppelt. Statt Hillary nun Donald. Und statt dem allseits prognostizierten Crash legten die Märkte seitdem kräftig zu.
Möglicherweise müssen wir manches neu denken. Das Trump´sche Programm aus massiven Infrastrukturinvestitionen, deutlichen Steuersenkungen, drastischer Vereinfachung der Finanzmarktregulierung und einer restriktiveren Handelspolitik könnte die amerikanische Stagnation überwinden – dies glauben zumindest die Kapitalmärkte. Der Dollar wertet auf, die Aktienkurse steigen.
Ob das Programm langfristig trägt, sei zunächst einmal dahingestellt. Aus europäischer Sicht stellt sich aber die Frage, was es für unsere Wirtschaft und die Stabilität der Eurozone heißt, wenn einerseits Kapital wieder in hohem Maße in die USA fließt, weil dort die Zinsen und Gewinne steigen, und andererseits die deutschen Exportüberschüsse ins Stocken kommen. Wahrscheinlich würden dann die schwachen Länder Europas noch höhere Staatsdefizite einfahren und die EZB müsste ein noch aggressiveres QE betreiben, um die Zinsen niedrig zu halten. Die Widersprüche in Europa zwischen Finanzmarktregulierung und Geldpolitik würden damit noch deutlicher zutage treten als bereits bislang.
Banken spielen in Europa eine wesentliche bedeutsamere Rolle für die Wirtschaftsfinanzierung als in den USA. 80 % der Fremdfinanzierung kommt von Banken, nur 20 % kommen vom Kapitalmarkt. In den USA ist es umgekehrt. Und da sich Banken in Europa mittlerweile in einem engen Korsett gesetzter Regulierung bewegen müssen, bestimmt die Regulierung auch die Funktion des monetären Transmissionsmechanismus der Geldpolitik.
Auf dem Feld der Finanzmarktregulierung hat die EU in den letzten zehn Jahren manches umgesetzt. Tausende von Seiten von Regulierungstexten decken nun das ab, was vor einigen Jahren nur einige hundert Seiten beinhalteten. Eine Vielzahl neuer Aufsichtsbehörden wurden errichtet und eine geradezu manische Datensammel- und Datenauswertungspraktiken wurden aufgesetzt. All dies macht das Leben von Banken nicht einfacher. Grundlegend für den Erfolg der Geldpolitik aber ist die Funktionsfähigkeit des Kreditkanals. Und diese [Funktionsfähigkeit] ist inzwischen durch die Finanzmarktregulierung erheblich in Mitleidenschaft geraten. Denn während Wirtschaftskredite in Abhängigkeit von ihrem Risiko mit Eigenkapital zu unterlegen sind, gilt dies nicht für Investments in europäische Staatsfinanzierungen; was in Zeiten knappen Eigenkapitals bei Banken (und auch Versicherungen) einen erheblichen Anreiz mit sich bringt, zusätzliche Liquidität dort anzulegen, zumal auch andere Regulierungsbereiche, wie z.B. die Liquiditäts Coverage Ratio oder die Derivateregulierung die Banken zwingen, entsprechende Mengen von Staatsanleihen auf ihren Bilanzen zu halten. Unter den Bedingungen steigender US-Zinsen, begleitet von einem noch weitergehenden QE der EZB würde somit der innere Druck in der Eurozone weiter wachsen.
Für Europa wäre nun die Zeit gekommen in einem ersten Schritt seine Kapitalmärkte zügig zu integrieren, das stockende Reformwerk Kapitalmarktunion schnell voranzubringen, eine Revitalisierung seiner Verbriefungsmärkte zu befördern und mit einer kritischen Bestandsaufnahme und Überarbeitung der Finanzmarktregulierung zu beginnen. In einem zweiten Schritt könnten die weiteren notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Währungsunion angepackt werden, wie z.B. eine Vertiefung der fiskalischen Integration, vielleicht zunächst verbunden mit einem koordinierten, durchfinanzierten grenzüberschreitenden europäischen Infrastrukturprogramm. Wird Europa diesen Weg gehen?
Wie auch immer: Die Wahl Trumps wird zu einer Bewährungsprobe für Europa. Denn wenn Populisten wirtschaftlich erfolgreich sind während Europa weiter zurückfällt, gibt die politische Führung in Europa die letzten Argumente gegen seine eigenen aufstrebenden Populisten aus der Hand.
Weitere Links zum Thema:
Erste Bewertung des Trump´schen Programms durch Daniel Stelter in:
Donald Trump’s New New Deal – Will Donald Trump’s economic policies finally lead the United States and Europe out of their economic malaise? | By Daniel Stelter