Wir alle tendieren dazu, die Zukunft als Extrapolation von Gegenwart und Vergangenheit zu betrachten. Und sicherlich hat die Finanzmarktregulierung diese zutiefst menschliche Haltung verstärkt, glaubt sie doch, man könne aus Vergangenheitsdaten zukünftige Spread- und Ausfallrisiken prognostizieren. Doch was wäre, wenn gestern gestern bleibt, heute heute ist und das morgen unbekannt bleibt? Der Ökonom wechselt dann in die Seemannssprache und spricht von „unchartered waters“ in denen man sich bewege. Und genau dort segelt zurzeit die Wirtschaft und mit ihr die Zukunft. Und mit ihm auch angestammte Finanzmarktsegmente wie Auto-ABS in Europa.
Sie segelten mit dem tiefen wirtschaftlichen Strukturwandel der letzten Jahre, mit dem Umbruch in der Autoindustrie, mit der Digitalisierung aller Prozesse bereits seit einiger Zeit in jenen unergründeten Gewässern. Doch solange kein Riff im Wege war, ließ sich damit gut leben. US-Protektionismus, Brexit, technischer Umbruch erschreckten, beschädigten aber die wirtschaftliche Entwicklung nicht grundlegend.
Doch mit COVID-19 ist nun plötzlich nichts mehr wie es einmal war.
Auto-ABS in Europa
Creditreform Rating hat nichtsdestotrotz eine Bestandsaufnahme von Auto-ABS in Europa versucht und wagt auch den vorsichtigen Blick in Zukunft. Bereits 2018, 2019 war das Bild für Europas Autoindustrie durchaus gemischt. Einerseits war 2019 eines der besten Autoabsatzjahre seit langem, jedoch leider nur in Europa. In China und Indien ging es bereits davor deutlich bergab. Und die neue CO2 Regulierung, die 2021 in Kraft tritt, warf auch 2019 bereits ihre Schatten voraus. Auch vergrößerte sich in Europa 2019 die Lücke zwischen Absatz und Produktion weiter. Dem 20%igen Zuwachs an Neuzulassungen in Deutschland stand leider ein 9 %iger Rückgang in der Autoproduktion gegenüber; bereits der zweite in Folge. Protektionismus und Kosten machten sich bemerkbar, denn produziert wurde zunehmend im Ausland.
Doch die Neuemissionen von Auto-ABS waren 2019 sehr hoch. Mit 29,5 Mrd. Euro lagen sie leicht über dem bereits guten Jahr 2018. Deutschland war mit 14,7 Mrd. Euro dabei; ein Plus von 20,6 %. Wie auch bereits in den Vorjahren zeigte sich, wie bedeutend ABS für den deutschen Automarkt ist. Gut 50 % der europäischen Auto-ABS Emissionen der letzten zwanzig Jahre kommen aus Deutschland. Wobei für 2019 interessant ist, dass die Santander Consumer Bank sich als Originator von deutschen Auto-ABS an die Spitze schob.
Was das Rating angeht, so hat sich in den letzten Jahren der Anteil von AAA-Tranchen etwas verkleinert zugunsten der AA-gerateten Papiere.
Die STS-Regulierung, die 2019 erstmals Anwendung fand, hat sich – so der Report – bewährt und zweifellos auch dazu beigetragen das Standing von ABS zu verbessern.
Für die Zukunft sieht der Creditreform Rating Report allerdings deutlich höhere Risiken auf die Kreditmärkte zukommen, die auch an Auto-ABS nicht vorbeigehen werden. Höhere Arbeitslosigkeit, niedrigere Einkommen verschlechterten die Kreditqualität laufender Portfolien; jedoch hätten die Transaktionsstrukturen genügend Puffer eingebaut, so dass die oberen Tranchen relativ sicher seien, downgrades sich eher auf die unteren Bereiche beschränkten.
Im ersten Quartal 2020 sind die Neuemissionen deutlich zurückgegangen, die Spreads haben sich ausgeweitet. Der europäische Autosektor, der bereits in den letzten Jahren vor grundlegenden strukturellen Herausforderungen stand, werde – so der Report – von der Corona-Krise besonders betroffen.
Ausblick in Zeiten von Corona
Die Corona-Krise selbst wird mit der Finanzkrise von 2008/2009 verglichen, wobei dies außer Acht lässt, dass – anders als damals – Verbriefungen diesmal nicht stigmatisiert sind. Im Gegenteil. Wie auch in der Creditreform Analyse ausgeführt, ist die nach der Finanzkrise vor zwölf Jahren ausgebrochene regulatorische Unsicherheit bezüglich der Zukunft von ABS nunmehr aufgehoben und, dies könnte man hinzufügen, dürften angesichts der allgemeinen Unsicherheit auf den Kapitalmärkten die oberen Tranchen von Verbriefungen und insbesondere von Auto-ABS im Vergleich zu ihren Anlagealternativen bei Investoren eher an Bedeutung gewinnen.