
Die Noyer-Gruppe hat am 25. April ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Christian Noyer, ehemaliger Vizepräsident der EZB, geht auf eine Initiative des französischen Finanzminister Bruno Le Maire zurück. Sie wurde Anfang des Jahres mit der Aufgabe betraut, Vorschläge für die Revitalisierung der Kapitalmarkunion zu erarbeiten.
Wesentliche Ergebnisse der Noyer-Gruppe
Der Abschlussbericht stellt heraus, vor welcher Herausforderung Europa steht: Die grüne und digitale Transformation erfordere bis 2030 jährlich zusätzliche Investitionen von 1 Bill. EUR. Insbesondere der Weg zu Net Zero erfordere einen hohen Investitionsaufwand, welchen europäische Banken nicht allein über ihre Bilanzen finanzieren können. Um die anstehenden Aufgaben zu meistern, benötige Europa eine funktionierende Kapitalmarktunion. Der Abschlussbericht beinhaltet drei zentrale Vorschläge zur Erreichung dieses Ziels:
1. Entwicklung europäischer Langfrist-Sparprodukte, die überwiegend in EU-Wirtschaft investieren
Die Sparrate in Europa ist mit 13,3 % weltweit eine der höchsten. Viele Langfrist-Investoren legen ihr Geld jedoch außerhalb Europas an. Im Gegenzug beziehen viele europäische Unternehmen ihr Eigenkapital von Nicht-EU-Investoren. Diesen Trend gilt es umzukehren und europäisches Geld in Europa zu halten. Die Noyer-Gruppe empfiehlt daher die Entwicklung von attraktiven Langfristprodukten (u. a. durch Steuervorteile), welche helfen, die Ersparnisse in die europäische Wirtschaft umzulenken. Die Arbeitsgruppe schätzt das Potenzial auf 200 Mrd. EUR zusätzliches Kapital pro Jahr.
2. Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarktes
Der Abschlussbericht betont die Wichtigkeit der Verbriefung als essenzielles Werkzeug zur Finanzierung der europäischen Wirtschaft. Dabei stellt die Noyer-Gruppe insbesondere die Verteilung der Risiken in den Vordergrund, welche andere Finanzprodukte wie z. B. Covered Bonds nicht in dem Maße leisten können.
Die geforderten Maßnahmen sind nicht neu und auch bereits auf politischer Ebene an verschiedenen Stellen geäußert worden. Die Noyer-Gruppe fordert nunmehr einen konkreten Umsetzungsplan für folgende Themen:
- Korrektur der Kapitalanforderungen für Banken und Versicherungen (Anpassung p-Faktor und Riskweight-Floors für Banken sowie Risikogewichte unter Solvency II)
- Verbesserung der LCR-Fähigkeit (Erhöhung von Level-2b auf Level-2a für Senior Tranchen bei STS Verbriefungen und Gewährung des Level-2b Status für Senior Tranchen bei Nicht-STS Verbriefungen)
- Vereinfachung der Offenlegungspflichten insbesondere für private Verbriefungen
- Erweiterung aufsichtsrechtlicher Erleichterungen auch für bisher nicht als STS darstellbare Verbriefungen
Diese Maßnahmen sollen insbesondere die Investorenbasis verbreitern helfen.
Zudem schlägt die Noyer-Gruppe eine europäische Verbriefungsplattform vor, durch welche ein höheres Maß an Standardisierung erreicht werden soll. Diese zielt insbesondere auf risikoarme Assetklassen wie z. B. RMBS ab. Gestützt werden soll die Plattform u. a. durch nationale Garantien, die sich am Umfang der verbrieften Assets orientieren. Durch eine so gestaltete Ankurbelung des Verbriefungsmarktes erhofft sich die Noyer-Gruppe bis zu 1,5 Bill. EUR zusätzliche Kreditkapazitäten.
3. Schaffung einer integrierten Aufsicht der Kapitalmärkte
Eine echte Kapitalmarktunion benötigt eine effiziente und klare Aufsicht, welche in der Hand einer Institution liegt. Die aktuelle Aufsicht der Kapitalmärkte ist jedoch stark fragmentiert, Zuständigkeiten sind teilweise unklar, was zu Ineffizienzen wie z. B. Doppelreporting führt. Die Noyer-Gruppe schlägt daher die Erweiterung der Kompetenzen der ESMA und die Einführung eines zentralen, festen Aufsichtsgremiums vor.
Weiterhin wird die Überarbeitung der europäischen Settlement-Systeme empfohlen.
Bewertung
Der Abschlussbericht der Noyer-Gruppe umfasst eine ausführliche und detaillierte Ausarbeitung zu den Herausforderungen bei der Verwirklichung der Europäischen Kapitalmarktunion. Wir sehen eine hohe Priorität zunächst in den dringend notwendigen Nachbesserungen bei den regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Verbriefungen (siehe Kapitel 3.2 des Berichts). Diese umfassen die Reduzierung der Kapitalanforderungen bei Banken und Versicherungen, die Anpassung der Liquiditätsvorschriften analog zu anderen Wertpapierklassen sowie einen signifikanter Bürokratieabbau bei einer Reihe von Vorschriften der Verbriefungsverordnung. Hier sind vor allem die Transparenzvorschriften und Due Diligence Anforderungen zu nennen, aber auch die Regeln für das erfolgreich etablierte Qualitätssegment STS sind nachzubessern.
Die darüberhinausgehenden Vorschläge für eine Verbriefungsplattform (siehe Kapitel 3.3 des Berichts) sind interessant und auf ihre Umsetzbarkeit in Europa überprüfen.
TSI begleitet die weitere Diskussion zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts zusammen mit unserem TSI-Partnernetzwerk und europäischen Partnern.