Europas Wirtschaft ist im Rückwärtsgang. Die Staaten Südeuropas einschließlich Frankreichs befinden sich in einer schweren und langwierigen Anpassungskrise. Ihre Lohnstückkosten sind in den letzten dreizehn Jahren ihren Wettbewerbern in Nordeuropa davongelaufen, das Instrument der Kostenanpassung über Abwertung ihrer Währungen haben sie mit Einführung des Euros verloren. Die interne Abwertung, d.h. Lohn- und Preissenkungen, setzen tiefgreifende Strukturreformen in Staat, Wirtschaft und Arbeitsmarkt voraus, die Deutschlands „Agenda 2010“- Reformen nach 2003 bei Weitem übersteigen.
Solche Reformen brauchen Zeit. Und selbst wenn man sie schnell und durchgreifend implementieren würde, wäre der Timelag zwischen negativer Wirkung und positiven Effekten mindestens 4 – 5 Jahre. Hat Europa diese Zeit?
Die Kapitalmärkte sind unruhig. Ein Zusammenbruch der Eurozone würde alle Investoren in den betroffenen Länder mit Anleihen zurücklassen, für die sie abgewertete Lira, Peseta etc. zurückbekämen. Von daher haben sich die Spreads längst von einer reinen Bonitätsbetrachtung entfernt und preisen ein – in einer Währungsunion an sich nicht vorhandenes – Währungsrisiko ein.
Die Spreaddifferenzen in der Eurozone erschweren den südlichen Banken bereits seit längerem ihre Refinanzierung über den Markt. Hier tritt die EZB seitdem auf die Tagesordnung. Mit großzügigen Repo-Programmen erlaubt die EZB den betroffenen Banken seit einigen Jahren sich zu Topkonditionen über die Zentralbank zu refinanzieren. Dies mildert den Refinanzierungsdruck, hilft aber der Wirtschaft nur wenig. Denn die Banken leiden auch unter knappem Eigenkapital. Was liegt für sie also näher, als die die EZB-Refinanzierungsmittel in Staatsanleihen ihrer Staaten zu investieren? Denn für derartige Investments brauchen Banken aufgrund der Nullanrechnung von Staatsanleihen kein Eigenkapital vorzuhalten; unter der neuen CRD IV-Regulierung sind derartige Investments darüber hinaus bei der Liquidity Coverage Ratio (LCR) hoch begünstigt. Dies hilft den Banken in ihrer Genesung, den Staaten in ihrer Finanzierung, nicht aber der Wirtschaft dieser Länder.
Der konditionale Ankauf von SME-Verbriefungen von Banken dieser Länder durch die EZB könnte die Lösung sein. Denn damit ließen sich zwei interdependente Hemmnisse der Kreditvergabe lösen: Refinanzierung der Banken und Eigenkapitalfreisetzung. Hier liegt auch der große Unterschied zu anderen besicherten Finanzierungsformen wie Covered Bonds und Repos. Denn die Liquiditätsversorgung von Banken ist derzeit vermutlich weniger der Engpass für die Kreditvergabe als für die Eigenkapitalknappheit. Der Anreiz zu Investments in Staatsanleihen und daneben auch in regulatorisch begünstigte Covered Bonds (die Banken nur mit Immobilien- und Staatsrisiken sichern dürfen) ist also groß.
Hier könnte ein SME-Ankaufprogramm helfen. Der Ankauf von Schuldtiteln/Kreditinstrumenten durch die EZB ist kein Novum. So hat die EZB in den letzten Jahren wiederholt Covered Bonds/Pfandbriefe zu deren Spreadstabilisierung angekauft. Ebenso wurden Staatsanleihen angekauft.
Ein konditionaler Ankauf von SME-Verbriefungen hingegen würde sicherstellen, dass die Maßnahmen direkt der Realwirtschaft zu Gute kämen und nicht nur der monetären Finanzierung von Banken und Staaten dienten.
Ein derartiges Programm hätte darüber hinaus auch mittelbare Stimulierungseffekte für den SME-Verbriefungsmarkt, ähnlich wie das Covered Bond-Aufkaufprogramm der EZB den Covered Bond/Pfandbriefmarkt in den letzten Jahren stützte.
Flankierende Maßnahmen bei der Ausgestaltung des regulatorischen Rahmenwerks wären aber notwendig, um die wichtigen mittelbaren Markteffekte nachhaltig zu erzielen. Hier vor allem: Beseitigung der fortbestehenden Unsicherheiten für Investoren in Verbriefungsanleihen aus der Solvency II, der CRD IV (hier vor allem der LCR) und dem neu vorgelegten Baseler Papier „Revisions of the Basel II Securitisation Framework“. Denn ansonsten bliebe der mittelbare Multiplikator einer derartigen Maßnahme gering.
Die Risiken einer derartigen EZB-Maßnahme wären gering. Das Eurosystem hat u.a. durch Repo-Aktivitäten umfangreiche Erfahrung im Risikomanagement von Verbriefungstransaktionen gesammelt und eine geeignete Infrastruktur aufgebaut. Vergangene Markt- und Regulierungsinitiativen, die von der EZB intensiv begleitet wurden, (z.B. Art. 122a CRD, Loan Level Datenerfordernis und European DataWarehouse sowie Qualitätsoffensiven der europäischen Verbriefungsindustrie) verleihen dem Instrument Verbriefung in Bezug auf Transparenz und Analysemöglichkeiten bereits jetzt Benchmarkstatus.
Die öffentliche Wahrnehmung im Hinblick auf das Risikoprofil europäischer Verbriefungen ist verzerrt. Ihre Qualität, welche sich während der gesamten Finanzkrise bewährt hat, unterscheidet sich eklatant von schwarzen Schafen der US Subprime RMBS und CDOs, die leider den gesamten Markt in Verruf gebracht haben (siehe dazu auch die Auswertungen in der TSI Stellungnahme):
Ohne ein derartiges Programm wird die Krise weiter die Krise nähren, denn die rückläufige Kreditfinanzierung von Südeuropas Wirtschaft erschwert in diesen Ländern jeden Aufschwung.
Autor: Dr. Hartmut Bechtold, Geschäftsführer, True Sale International GmbH (TSI)