Der Draghi-Bericht „The Future of European Competitiveness“ (Teil A [im selben Verzeichnis] und Teil B [im selben Verzeichnis]) wurde heute veröffentlicht. Auf nahezu 400 Seiten werden zahlreiche Ansätze zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas anhand ausgewählter Wirtschaftssektoren und Politikbereiche diskutiert. Ein zentrales Thema des Berichts ist die Mobilisierung privaten Kapitals zur Förderung der Investitionsfinanzierung. Vor dem Hintergrund des dringenden Bedarfs an nachhaltigem Wachstum im Kontext der grünen und digitalen Transformation, identifiziert der Bericht als einen der Hauptgründe für die bisher unzureichenden Investitionen fragmentierte Kapitalmärkte und spezifische regulatorische Beschränkungen im europäischen Bankensektor. Dies führe dazu, dass europäische Banken im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants seltener auf Verbriefungen zurückgreifen. Dies behindere die Risikotransfermöglichkeiten, die Freisetzung von Eigenkapital für zusätzliche Kredite und die Entwicklung des Kapitalmarktes. Eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes könnte jedoch dazu beitragen, die fragmentierten Kapitalmärkte in der EU besser zu integrieren.
Ansatzpunkte zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes
Mit Blick auf den europäischen Verbriefungsmarkt schlägt der Draghi-Bericht die folgenden Maßnahmen als zentral für dessen Wiederbelebung vor:
- Senkung der Kapitalanforderungen,
- Verbesserung der Transparenzanforderungen,
- Adjustierung der Sorgfaltspflichten sowie
- Einführung von Plattformlösungen.
Letzterer Vorschlag greift Ideen aus dem Noyer-Bericht auf (siehe TSI kompakt vom 2. Mai 2024). Kapital- und Transparenzanforderungen sowie Sorgfaltspflichten sind seit Jahren zentrale Themen in der Finanzbranche, insbesondere in der Verbriefungsindustrie. Insofern ist es erfreulich, dass der Draghi-Bericht diese wesentlichen Aspekte der Reformdebatte explizit anspricht.
Paradigmenwechsel in Europa
Der Draghi-Bericht stellt eine wertvolle Ergänzung zu einer Reihe ähnlicher Analysen dar, die immer wieder zu dem Schluss kommen, dass die EU einen starken Verbriefungsmarkt benötigt (siehe auch TSI kompakt vom 31. Juli 2024). Besonders bemerkenswert ist, dass der Bericht den bereits spürbaren Paradigmenwechsel vom Fokus auf den European Green Deal hin zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit klar verdeutlicht. Dass die grüne und digitale Transformation geeignete regulatorische Rahmenbedingungen für deren Finanzierung erfordert, ist allgemein bekannt. Dass jedoch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas als entscheidende Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum herausgearbeitet wird, könnte der Reformdebatte neuen Schwung verleihen.