Ein zweiseitiges Positionspapier zur Wiederbelebung des europäischen Verbriefungsmarktes, verfasst vom deutschen und französischen Finanzministerium und gerichtet an die Europäische Kommission, macht hellhörig. Die europäischen Aufsichtsbehörden haben sich in ihrer Antwort auf den Call for Advice (CfA) zur Verbriefungsregulierung der Europäischen Kommission sehr zurückhaltend geäußert hinsichtlich des Bedarfs für Verbesserungen der regulatorischen Bedingungen für Verbriefungen (TSI kompakt vom 12. Dezember 2022).
Daraufhin hatten im November 2022 die Präsidenten der deutschen und französischen Zentralbanken in einem gemeinsamen Interview betont, dass die Verbriefung einen wichtigen Beitrag für die Finanzierung der Transformation leisten könne. Zum Jahreswechsel machte Bundesfinanzminister Christian Lindner deutlich, dass eine neuerliche Diskussion zur Reform des europäischen Verbriefungsmarktes im Zuge der angestrebten Kapitalmarktunion geführt werden sollte (TSI kompakt vom 3. Januar 2022).
Window of Opportunity statt Fit for Purpose?
Das deutsch-französische Positionspapier zur Wiederbelebung des europäischen Verbriefungsmarktes stellt nunmehr das nächste politische Statement in kurzer Zeit dar, wie relevant Verbriefungen in der Praxis tatsächlich sind. Es betont die steigende Notwendigkeit für weitreichende Reformen der Verbriefungsregeln in Europa, nicht zuletzt aufgrund des Zinsanstiegs. Statt von einem „Fit for Purpose“ sprechen die Finanzministerien von einem Window of Opportunity, „um einige der Probleme anzugehen, die die Entwicklung des EU-Verbriefungsmarktes beeinträchtigen.“ In ihrer ganzheitlichen Betrachtung des europäischen Kapitalmarktes gelangen die Finanzministerien in diesem nicht-öffentlichen Schreiben an die Kommission zu folgenden Einschätzungen:
- Aus Originatorensicht seien Transaktionen zu aufwendig, insbesondere in Anbetracht der sehr konservativen Kapitalanforderungen.
- Im Falle von Banken als Investoren wird die Anrechenbarkeit auf die LCR-Quote über die Eigenkapitalanforderungen als zu restriktiv angesehen; im Falle von Versicherern wird eine unzureichend differenzierte Risikokalibrierung einzelner Tranchen als Hindernis für deren Investments in Verbriefungen gesehen.
Als konkrete Ansatzpunkte für eine Reform des EU-Verbriefungsmarktes benennt das Schreiben zudem:
- den Review der ESMA Disclosure Templates,
- die Harmonisierung und Vereinfachung von SRT-Tests,
- die Berücksichtigung von Mezzanine-Tranchen in Solvency II sowie
- die Anwendung des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen European Green Bond Standard (EuGBS) auf Originatoren von Verbriefungen.
Zeichen der Politik zur Widerbelebung des Verbriefungsmarktes
Erfreulicherweise bezieht das Positionspapier klar Stellung für eine Verbesserung der Regulierung und steht im Kontrast zu den sehr zurückhaltenden, wenig nachvollziehbaren Positionen der Aufsichtsbehörden. Mit Blick auf den Investitionsbedarf für die Transformation der Wirtschaft und angesichts der besonderen Bedeutung der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung in Deutschland mahnt die Politik zur rechten Zeit eine Wiederbelegung des EU-Verbriefungsmarktes an.